Im Sommer habe ich meine Arbeitsstelle gewechselt und aus diesem Anlass alte Materialien für den Religionsunterricht aussortiert. Dabei fiel mir ein Zettel in die Hände. Den habe ich behalten.
In meiner vierten Klasse waren die Zehn Gebote Thema des Unterrichts. Bevor wir uns mit dem biblischen Text zum Dekalog beschäftigten, bat ich meine Schüler/innen, auf einem Arbeitsblatt selbst Gebote zu verfassen, die sie (zusammen mit Gott) für das Zusammenleben der Israeliten aufgestellt hätten.
Rafael schrieb als erste Antwort auf sein Blatt: „Du sollst mir vertrauen.“ Ich fand das und finde es immer noch großartig.
In den Unterrichtswochen zuvor waren wir mit den Israeliten durch das Schilfmeer gezogen, hatten mit Mirjam Gott für die Befreiung aus Ägypten gepriesen, haben miterlebt, wie das Volk in der Wüste Hunger und Durst hatte und durch das Manna und das Wasser aus dem Felsen gerettet wurde. Wir dachten darüber nach, was es bedeutet, dass Gott mit den Israeliten einen Bund schließen wollte, und erfuhren schließlich einiges über Streit, Neid und Rücksichtslosigkeit der Israeliten untereinander. Mit den Israeliten haben wir uns die Frage gestellt: „Ist der Herr nun in unserer Mitte oder nicht?“ (Ex 17,7). Er ist es, meinten meine Schüler/innen. – Du sollst mir vertrauen.
Erst vor kurzem habe ich gelernt, dass der Satz, der in der Bibel die Zehn Gebote einleitet, nach der Zählweise des Judentums bereits als „erstes Gebot“ gezählt wird. „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus“ (Ex 20,2). Was an diesem Satz ist ein Gebot? – Ich bin es, du kennst mich: Du sollst mir vertrauen.
„Gott selber wird kommen, er zögert nicht. Auf, auf ihr Herzen, und werdet licht. Freut euch, ihr Christen, freuet euch sehr. Schon ist nahe der Herr.“
Advent. Ich werde kommen. Ich werde da sein. Ich werde bei dir sein. Du kennst mich. Du kannst mir vertrauen.
Bistum Augsburg
Thomas Lechner
Pastoralreferent, Referent im Diözesan-Exerzitienhaus St. Paulus in Leitershofen