Mit Kolleginnen und Kollegen warte ich am Bamberger Bahnhof, weil sich unser Bus eine Stunde verspätet. Ein junger Mann spricht uns an. Er wirkt ordentlich, sitzt auf der Treppe, daneben eine kleine Reisetasche. Vermutlich ein Reisender, denke ich. Wir erzählen, dass wir Mitarbeitende der katholischen Kirche auf dem Weg zum Betriebsausflug sind. Der junge Mann schärft uns ein: „Am wichtigsten ist es, Menschen ohne Vorurteile zu begegnen.“ Er berichtet, wie oft er schon mit Vorurteilen konfrontiert wurde. Denn er ist ein Obdachloser, der von Ort zu Ort, von Land zu Land zieht. Vieles in seinem Leben ist schiefgelaufen, wie er uns schildert. Schließlich fragt er: „Wenn ihr für die Kirche arbeitet, dann glaubt ihr doch bestimmt an Gott?“. „Ja klar!“, sage ich, woraufhin er mich bittet: „Kannst du für mich beten?“ Das verspreche ich ihm. Dabei fühle ich mich ertappt. Wie oft habe ich Vorurteile? Wie oft bin ich schon achtlos an Obdachlosen vorbeigelaufen?
Der verspätete Bus – ein Angebot an uns, diesem unbekannten Menschen eine Stunde lang Aufmerksamkeit zu schenken und von ihm zu lernen. Im Alltag kann man sich bestimmt nicht für jeden Unbekannten Zeit nehmen, aber vielleicht ergibt sich ab und zu eine Chance, Jesus in einem fremden Menschen zu begegnen. Wie damals, als ein Wirt in Betlehem die Chance erkannte, Maria und Josef zu beherbergen. Er half dem Paar in der Not mit den Möglichkeiten, die er hatte: mit einem Stall. Auch wenn wir wenig zu geben haben, kann Jesus uns in dieser Situation begegnen.
Patricia Achter
Redakteurin Social Media/Erzbischöfliches Jugendamt in der Stabsstelle Medien- und Projektarbeit des Erzbischöflichen Ordinariats Bamberg
Erzbistum Bamberg