Seit Stunden sitze ich am Schreibtisch. Ich lehne mich kurz zurück, um mich zu strecken. Da fällt mein Blick durch das Fenster. Ich sehe einen Mann vor unserem Jugendheim stehen. Vermutlich ein Vater, der sein Kind nach der Gruppenstunde abholen will. Er schaut sich kurz um und vergewissert sich, dass ihn niemand beobachtet. Dann beginnt er auf einmal auf einem Bein zu balancieren. Wie ein Kind springt er von einer Seite des Weges auf die andere. Ich möchte nicht riskieren, dass er mich doch noch sieht und widme mich wieder der Arbeit.
Doch das Gesehene lässt mich nicht los. Vermutlich steckt tief in jedem und jeder von uns etwas Kindliches. Etwas Leichtes, Ursprüngliches und Unbeschwertes, das wir über die Jahre verlernen oder unterdrücken. Weil wir als erwachsen gelten wollen. Weil wir ernst genommen werden möchten.
Es geht um mehr als das Springen auf einem Bein. Es geht um eine unbeschwerte Freude am Leben, die wir uns oft abtrainiert haben. Weil wir Sorge haben, dass andere uns für kindlich oder bestenfalls naiv halten. Oder weil die alltäglichen Sorgen die Leichtigkeit nehmen.
Wieder einmal bereiten wir uns darauf vor, dass Gott in diese Welt kommt. Nicht zufällig kommt er als ein Kind. Auch deshalb, um uns an unseren Ursprung zu erinnern. Dass uns die Leichtigkeit und Unbeschwertheit des Anfangs auch am Ende wieder blühen wird. Selbst dann, wenn sie manchmal im Lauf des Lebens verschüttet gegangen sind.
Möglicherweise besuche ich demnächst wieder einmal den Ort, der mir als Kind so viel bedeutet hat. Oder ich mache etwas, was ich früher gerne gemacht habe. Vielleicht darf es ja demnächst mal wieder heraus, das Kind in mir.
Gott, werde Kind in mir,
damit ich meine Probleme für einen Augenblick
spielerisch wie Raum und Zeit vergessen kann.
Gott, werde Kind in mir,
damit mir immer wieder der Mund offen steht
und meine Augen funkeln vor Begeisterung.
Gott, werde Kind in mir,
damit ich andere Gotteskinder beim Lebensspiel
ohne Vorurteile und Bedingungen annehmen kann.
Gott, werde Kind in mir,
damit ich mit einfachen Worten und Taten
Freude spüren und verschenken kann.
Gott, werde Kind in mir,
damit ich bei allem, was in meinem Leben zerbrochen ist,
glauben kann, dass es am Ende wieder gut wird.
Erzbistum Bamberg
Markus Schürrer
Leitender Pfarrer des Kath. Seelsorgebereichs Main-Itz