Ist ein Krankenhaus ein adventlicher Ort? Wenn man den Advent als eine Zeit des Wartens sieht, dann trifft das auf jeden Fall zu. Wie oft müssen Menschen in einer Klinik warten!
Herr N. erzählt mir von seiner Erkrankung. Vor einem Jahr wurde bei ihm ein Lungenkrebs diagnostiziert. Anstrengende Monate mit einer Chemotherapie liegen hinter ihm. Heute ist eine MRT-Untersuchung gemacht worden, auf deren Ergebnis er jetzt wartet. Ist der Tumor zurückgegangen oder hat er sich nicht wesentlich verändert, ja ist er vielleicht sogar weitergewachsen? Die Ungewissheit macht Herrn N. sehr zu schaffen.
Frau B. wartet auf die Stationsärztin. Sie ist besorgt um ihre hochbetagte Mutter, die tags zuvor in die Klinik eingeliefert wurde. Jetzt erhofft sie sich gute Nachrichten. Aber was ist, wenn die Mutter nicht mehr gesund wird? Muss Frau B. sich mit dem Gedanken befassen, dass sie in absehbarer Zeit sterben könnte?
Zum zweiten Mal drückt Herr P. auf die Glocke. Er braucht Unterstützung beim Toilettengang. Die Pflegekräfte sind heute im Engpass. Zwei Krankheitsausfälle haben sich nicht einfach ausgleichen lassen. Herr P. wird ungeduldig.
Ich selbst stehe auf dem Gang. Im Zimmer, in das ich gehen wollte, ist gerade die ärztliche Visite. Da möchte ich nicht stören. Ich komme ins Gespräch mit einer Frau, die ihren Mann besuchen wollte. Er ist schon vor einiger Zeit zu einer Untersuchung weggebracht worden. Sie erzählt mir, dass sie jeden Tag in die Klinik kommt. Die beiden sind seit über 50 Jahren miteinander verheiratet. Jetzt sorgt sie sich um ihren Mann.
Im Krankenhaus wird viel gewartet. Hier kann eine Haltung eingeübt werden, die für den Glauben wichtig ist: die Geduld. „O Herr, wenn du kommst, wird die Welt wieder neu, denn heute schon baust du dein Reich unter uns.“ So heißt es in einem Lied, das in diesen Tagen im Gottesdienst gesungen wird. Es mündet ein in den Kehrvers: „O Herr, wir warten auf dich.“ So klingt beides an: die Mühe des Wartens, aber auch die Zuversicht, dass unser Warten auf Gott nicht umsonst ist. Gott kommt uns entgegen, er lässt sich von uns er-warten.
Gerhard Kögel
Pfarrer an der Uniklinik Augsburg
Bistum Augsburg